Geschichte
Der Gustorfer Hof – die Keimzelle des Ortes
Die größte Bedeutung für die Entwicklung der heutigen Ortsteile Gustorf und Gindorf dürfte dem ehemaligen Gustorfer Hof zukommen, dessen letzte Überreste 1911 gänzlich verschwanden. Er lebt zwar noch fort im Flur– und Straßennamen „der Wieler“ = villa1, was aber die meisten Bewohner nicht mehr wissen. Die Ursprünge des Ortes gehen jedoch weit zurück in die Zeit als die Römerherrschaft am Rhein zunehmend zusammenbrach.
Zwischen 250 — 450 ergossen sich die Germanen in die bisher verschlossenen linksrheinischen Gebiete. In die hiesige Gegend kamen die Franken. Die verteilten die in Besitz genommenen Gebiete an ihre einzelnen Hundertschaften (Honschaften), die die unterste Heereseinteilung bei den Franken darstellten.
„Eine der ältesten Gruppensiedelungen ist die Büttger Waldmark …, dazu kam die Liedberger Mark …, ferner die Giesenkirchener, Anrather, Gustorfer und Frimmersdorfer Mark. Bei der dünnen Bevölkerung aber überwogen zwischen Niers und Erft die Einzelgüter. Der König beschenkte vielfach seine Getreuen mit den vorgefundenen keltischen und römischen Einzelhöfen. Diese … hießen Sale oder Herrenhöfe.“ 2
Nun waren die Franken Heiden. Als oberster Gott war ihnen Wotan oder Odin heilig, der auf Bergen verehrt wurde. Solche heiligen Berge waren wahrscheinlich der Gladbacher Hügel, in Liedberg die ringförmige Umwallung auf dem Mühlenberg und als dritter Wotansberg:
Der Welchenberg, „wo die Kelten einen Gott Walchus (?) verehrt hatten. Doch darf man daselbst für die germanische Zeit ein Wotansheiligtum vermuten. Eine alte Überlieferung bringt den Dienst auf dem Berge mit dem nahen Gustorf in Verbindung, das dann von dem dort verehrten Gotte seinen Namen erhielt. Denn Jodesdorf, Goesdorp, Gozdorp, wie Gustorf früher hieß, ist nichts anderes als Wotansdorf, (…)“3
Da die Hauptträger der Siedlungstätigkeit die Salhöfe waren, um die dann Dörfer entstanden, liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei der frühen Siedlung Gustorf eben um einen solchen Salhof gehandelt habe, um den dann das Dorf entstand und der/das genau diesen Namen trug. In diesem Fall dürfte dieser Gustorfer Hof als die Keimzelle für das heutige Gustorf und auch Gindorf gelten. Denn es wurden zuweilen „auch ganze neue Dörfer“ angelegt, wie Lüttenglehn = klein Glehn oder aber „Gindorf (Gendorf)“, was soviel heißt wie „jenseits des Kirchdorfs (Gustorf)“ 4.
Nun stützt sich die obige Hypothese nur auf Indizien. Der Gustorferhof, dessen Existenz sicher ist, wird erstmalig urkundlich im Jahr 1210 erwähnt. Jedoch trug der Türsturz der alten Gustorfer Kirche die Jahreszahl 11305 und die Kirche in Gustorf war ursprünglich Eigenkirche des Gustorferhofes, dessen Besitzer Patronat und Zehnt gehörte.6 Daher kann sicher davon ausgegangen werden, dass es den Gustorferhof schon wesentlich früher gab.
Der hatte bzw. gewann für die Gegend im wahrsten Sinn des Wortes m a ß gebliche Bedeutung:
„Das Gericht in Gustorf zeigte 1456 noch die Formen des Hofgerichtes: Nicht Scheffen, sondern Geschworene waren die Urteilsfinder von denen fünf mit Namen angeführt sind. Als Hof, dessen Gericht allgemeine Geltung gewann, kommt nur der Gustorferhof in Frage, auf den Erzbischof und der Graf von Dyck zur Hälfte Anspruch hatten. Ein Weistum dieses Hofes sagt, dass derselbe das Holzgrafenamt im „Lingen Borns Holz boven der Müllen“ und im „Hambs Holz“ besitze, ferner die Aufsicht über das Torfstechen, über die Maße und Gewichte, Brot und Bier, weiter die Berechtigung zur Fischerei, zur Jagd und zur Schaftrift. Schon 1483 war Gustorf ein allgemeines Scheffengericht.“ 7
Aus heutiger Sicht liest sich diese Aufzählung eher unspektakulär. Beleuchtet man jedoch die historischen Hintergründe, so wird die große Bedeutung dieser Rechte erst deutlich.
So lag die Gerichtshoheit zu großen Teilen beim Königtum bzw. beim Gaugrafen als Vertreter des Königs.
Nur „mächtigen Grundherren gelang es, die von ihm abhängigen Leute den Gaugerichten zu entziehen und die Gerichtsbarkeit an sich zu reißen. Es entstanden die freien (immunen) Hofesgerichte. (…) Bei sämtlichen Gerichten des Amtes Liedberg lässt sich dieser Ursprung nachweisen.“8
Zum Amt Liedberg gehörte Gustorf bis zu dessen Auflösung.
Eine ganze besondere Bedeutung hatte das Torfstechen für Gustorf. Das Verfügungsrecht über den Torf besaß alleinig der Gustorferhof als Anhängsel der Holzgrafschaft. Die Torfgewinnung wurde „in Gustorf zur ausgesprochenen Industrie, zur Hauptquelle des Unterhalts und eines hohen Wohlstandes.“ 9
Das Jagdrecht stand einzig dem König zu10 und die Fischerei war in öffentlichen Gewässern ebenfalls ein Vorrecht des Königs11. Beides wurde im Laufe der Zeit von den Grundherren in Anspruch genommen und galt später als Ausfluss der Landeshoheit.
Brot und Bier zählten seinerzeit zu den elementaren Grundnahrungsmitteln.
Gab es in den verschiedenen Regionen auch unterschiedliche Maße, so waren diese jedoch streng reglementiert.
„In Schiefbahn, Kehn, Kaarst, Gustorf und Frimmersdorf rechnete man überwiegend nach Neußer Maß. (…) Die gewöhnlichen Maßgefäße waren das Faß, das Viertel und der Schoppen. (…) Die öffentliche Aufsicht und Eichung der Maße übten gewöhnlich die Scheffen, die davon ihre Gebühren hatten. In Gustorf waren die Inhaber des Gustorferhofes allein Inhaber der Maßgerechtigkeit. Die Geräte, die nicht stimmten, wurden zerschlagen und die Besitzer bestraft.“ 12
Weiterhin wurden vielfältige Dienste erhoben, die erbracht werden mussten.
„Am meisten nahm die Leute der Wachdienst in Anspruch. Zur Beaufsichtigung von Feld, Weiden und Wasser hatte eine Mark stets ihre Schützen gehabt. Diese waren in den Dienst des Grundherrn übergegangen.“ 13
Was dies anbetrifft finden sich bis auf einen Bruderschaftsaltar in der Pfarrkirche keine Hinweise, die auf den Gustorferhof deuten. Allerdings erscheint es unwahrscheinlich, dass bei Vorhandensein von Schützen, ein derart mächtiger Hof auf den Einfluss auf eine solch wichtige Funktion verzichtet hätte.
Alles in allem ist somit zu sagen, dass auf dem Gustorfer Wieler jahrhundertelang die lokalen Geschicke des Doppeldorfes bestimmt, zumindest aber wesentlich beeinflusst wurden.
Was die „Insignien“ der Besitzer des Gustorferhofes anbetrifft, so war lange Zeit nur bekannt, dass der 1501 verstorbene Heinrich von Gustorf folgendes Siegel führte:
„Ein durch einen Querbalken geteilter Schild mit einem Turnierkragen im oberen Feld.“14
Der Grevenbroicher Geschichtsverein fand später die heraldischen Farben. So ist der Wappenschild in Rot mit einem gelben Balken und der dreilätzige Turnierkragen in Weiß gehalten, wobei diese beiden Farben mit den Metallen Gold und Silber gleichgestellt sind. Bei einem weiteren Fund in der Münsteraner Universitätsbibliothek wurde dann neben dem Wappen auch noch dessen Helmzier entdeckt, wie sie auf der Abbildung zu sehen ist.15
Dieses Wappen führt nun seit 2008 das Gustorfer Grenadiercorps in seinem Schilde. Es will damit ein Stück Gustorfer Geschichte wach halten und bewahren. MB
Quellen:
Bremer, Dr. Jakob. 1930. Das Kurkölnische Amt Liedberg. M.Gladbach. Kühlen
1 ebenda S.32, 2 S.10, 3 S.12, 4 S.13, 5 S.765, 6 S.487, 7 S.226, 8 S.207, 9 S.277/278, 10 S.404, 11 S.412, 12 S.367, 13 S.161, 14 S.32
15 Neuß-Grevenbroicher-Zeitung (NGZ), Autor und Ausgabe nicht vermerkt